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Von Antje Mayer.

KünstlerInnen aus Sofia

Von Antje Mayer

Krassimir Terziev

Krassimir Terziev (*1969) arbeitet vornehmlich mit Neuen Medien. Er ist nicht nur Mitbegründer des »Interspace – New Media Art Center«, sondern seit 2004 auch Co-Direktor vom »Xfilm Festival for Experimental Film, Video & New Media« in Sofia. Terzievs künstlerisches Thema ist der Film mit seinen dahinter stehenden Mechanismen der globalen Filmindustrie, die nicht nur durch ihre finanzielle Potenz, sondern auch durch ihre Omnipräsenz im Alltag, besonders auf Transformationsgesellschaften wie der bulgarischen, großen soziopolitischen Einfluss ausüben, so Terzievs These. Er ist ein penibler Rechercheur des bulgarischen (Medien-)Alltags, den er erst einer systematischen Analyse unterzieht, um dann das Ergebnis in eine poetisch-zynische filmische Form zu bringen, woraus Meta-Filmarbeiten entstehen. Für die Hollywood-Produktion »Troy« mit Brad Pitt hatte man 5.000 bulgarische Sportstudenten, die griechische Krieger spielen sollten, gecastet und schließlich 300 in die Wüste Mexikos für Dreharbeiten einfliegen lassen. Sie wurden dort jedoch zu Dumpinglöhnen unter arbeitsrechtlich bedenklichen Bedingungen eingesetzt, was letztlich sogar zu einem Aufstand unter den Statisten führte. Für seine große Videodokumentation »Battles of Troy« (2004) deckte er die riesige globale Maschinerie hinter dieser Filmproduktion auf. Er interviewte die »Auserwählten«, die von ihren Träumen einer großen Hollywoodkarriere erzählen, und dem letztlich real Erlebten. Die Parallele zur bulgarischen Textilbilliglohnkraft, die schicke Markenkleider für reiche Industrieländern unter widrigsten Bedingungen näht, wird offensichtlich. Einer der international bekanntesten Arbeiten Terzievs ist die Filmcollage »BG Track« (2002). In dem Video reiht er Szenen aus berühmten Hollywoodfilmen aneinander, wo Klischees vom Bulgaren als dunklem Bösewicht, behaarte Sexmaniac oder Joghurterfinder bemüht werden. Im Filmklassiker »Casablanca« etwa bekniet eine junge Rumänin Humphrey Bogart, er möge ihr doch den Weg ins geheiligte Land der USA ermöglichen. Eine Parallele zum immer problematischer werdenden Exodus vieler jungen Bulgaren. Aber Bogart wirbt dafür, zuhause zu bleiben: Go back to Bulgaria! Terziev loopt diesen Spruch zum Schluss seines Films wie zur augenzwinkernden Aufforderung an alle Exil-Bulgaren: Go back to Bulgaria! Go back to Bulgaria! Go back to Bulgaria!



Pravdoliub Ivanov


Auch ein Rechercheur des Alltags ist Pravdoliub Ivanov (*1964), der auf der Akademie der Bildenden Künste in Sofia unterrichtet und heuer auf der Biennale von Venedig im ersten eigenen »Pavillon« Bulgariens im Europabüro der UNESCO ausstellt. Seine Arbeiten, für die er verschiedenste objets trouvés verwendet, erschließen sich eingängig, fast sloganartig, auf den ersten Blick, um dann zu komplexen Bedeutungsebenen weiterzuführen. Für die bulgarische Kuratorin Maria Vassileva ist es schon fast »eine Gabe«, wie locker und dennoch präzise Ivanov alltäglichen Dingen einen völlig neuen, poetischen, manchmal amüsant metaphorischen, aber dennoch immer hochkomplexen Kontext zu geben versteht.
Seine Arbeit »Easy Banners« (1997), Flaggen mit durchsichtiger Folie ohne Emblem und Aufschrift ist eine Persiflage auf die im Grunde austauschbaren Präsentationsgesten von Macht und Politik, die er nicht nur im Kommunismus erlebte, sondern in den ständig wechselnden politischen Farben nach der Wende. Als Anspielung auf die durch das kommunistische System verursachte Notwendigkeit zur Improvisation, die oft haarsträubende Spontan-Konstruktionen hervorbrachte, kann man die Arbeit »So Many Reasons« (2004) verstehen. Ein Tisch, der vor einer Tür steht. Anstatt ihn wegzurücken, um die Tür öffnen zu können, ist ein Teil aus der Tür geschnitten. Für die oft im Ausland gezeigte Installation »Transformation Always Takes Time and Energy« (2000), die sich auf den Transformationsprozess in der bulgarischen Gesellschaft bezieht, lieh sich Ivanov dreißig Töpfe von Bekannten und Verwandten, füllte sie mit Wasser und stellte sie auf Elektrokocher, die das Wasser allerdings nur so weit erhitzten, dass es zwar verdampfte, aber nie zum Kochen gebracht wurde.


Alla Georgieva

Alla Georgieva
(*1961) orientiert sich formal an Werbung oder Modefotografie, die sie mit traditionellen bulgarischen »Codes«, wie Trachten oder Volksmusik, kombiniert. Oft macht sie auch »Handwerksarbeiten«, die sich mit der neuen Realität der für Georgieva »obszönen Warenwelt« auseinandersetzen. Jüngeres Beispiel sind etwa ihre Kuchen-Arbeiten (ab 2004) – bunte Torten, die sie mit scheinbar lieblichen Figuren verziert. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Dargestellte aber als eine Vergewaltigungsszene oder ein brutaler Amoklauf. Alla Georgievas Werk ist biografisch geprägt, kennt sie doch die kommunistische Gesellschaft genauso gut wie die neokapitalistische. Eine ihrer letzten Arbeiten, »Bulgarien Souvenirs« (2005), war auf den über die ganze Stadt verteilten Werbescreens zu sehen. Zu der Melodie eines alten bulgarischen Volksliedes tanzen in einem Comicstrip zwei Püppchen in traditionellen Trachtenschürzen. In einer zweiten Einstellung sieht man, dass die Figuren drunter fast nichts tragen, nur Strapse. Ein ironisch-trauriger Hinweis auf ein sehr erfolgreiches Exportgut Bulgariens, junge Frauen, die als Prostituierte im Ausland arbeiten. Mit den Frauen, die in Bulgarien geblieben sind und Karriere machen, setzt sich die neueste fiktive Fotoserie »New Hedonism« (2006) auseinander. Es wird die neue Generation kinderloser Frauen thematisiert. Es geht Georgieva um die Frage, wie sich natürliche Instinkte wie der des Muttergefühls in einer Konsumgesellschaft erhalten können. Die neuen Heldinnen oder Verliererinnen des neuen Bulgariens?


Kosta Tonev


Kosta Tonev (*1980) studiert seit 2004 in Wien an der Akademie der Bildenden Künste, dennoch hält er intensiven Kontakt mit der Szene in Sofia und wird ab Herbst auch von der neuen Galerie »ARC Projects« vertreten sein. Eine Arbeit, die sich mit der Kunsterziehung in Bulgarien auseinandersetzt, ist »Monument to My Bad Drawing« (2006). Tonev erzählt auf einer Tafel, die im oberen Teil mit drei Reihen von Totenkopfsymbolen bedruckt ist, im unteren mit einem Text versehen, von seinem Zeichenunterricht, als er ein Textildesign-Muster entwerfen sollte. »I was aware that the narrow guidelines made the repeated images uniform in their representation which might discourage individuality«, kann man darauf lesen. »I saw the only way to express uniqueness was through the image itself.«
Mit dem hochpolitischen Thema des Monuments setzt sich Tonev seit längerem ironisch auseinander und versucht, den Begriff umzudefinieren. Für die Arbeit »Monuments to Various Short Presences« (2006), die er im italienischen/slowenischen Gorizia/Nova Gorica zeigte, fotografierte er etwa einen Vogel auf einem Randstein und monumentalisierte ihn, indem er ihn dann stark vergrößert auf vielen Poster-Billboards in den beiden Städten als Monument des Alltags sichtbar macht.


Ivan Moudov


Auch Ivan Moudov (*1975) ist heuer auf der Biennale in Venedig vertreten. Für seine Arbeit »Traffic Control«, die auf die willkürlichen Machtverhältnisse in Bulgarien anspielt, »regelte« Moudov, als Verkehrspolizist gekleidet, an einer Kreuzung in Graz den Verkehr, bis er von der örtlichen Polizei festgenommen wurde. Die Manipulation des Staßenverkehrs ist häufiger Bestandteil seiner Aktionen. So fährt er etwa in seinem Video »1 Hour Priority« (2002) eine Stunde in der Rushhour in einem Kreisverkehr in Sofia. Seine Arbeiten sind vor allem dadurch charakterisiert, dass sie subversiv Realität und Kunst miteinander verweben. Sie erinnern nicht zuletzt an Performancekünstler wie Jí_i Kovanda, der in den siebziger Jahren mit Minimaleingriffen wie Augenkontakt mit Passanten arbeitete, Moudov wird von Kritikern als Post-Konzeptualist bezeichnet, und das ist insofern interessant, als Bulgarien keine konzeptualistische Tradition aufweisen kann. Seine Arbeit »Wind of Change« zeigte der Künstler 2005 auf der Biennale in Moskau. Auf dem Dach des Lenin Museums hatte Moudov eine Windmaschine installiert, die Energie lieferte, um die Überwachungskameras im Inneren mit Strom zu versorgen. Wenn es allerdings keinen Wind gibt, gibt es auch keine Bilder auf den Überwachungsmonitoren, und die Kunstschätze sind dem Risiko von Vandalismus und Raub ausgesetzt. Eine Persiflage auf die korrupten Systeme, die ihr »Fähnchen nach dem Wind« drehen.



Text erschienen in Spike ART QUARTERLY Nr. 11/2007
> Link:Krassimir Terziev > Link:culturbase.net/Ivan Moudov- > Link:Spike Art Quarterly- > Link:artist and art.org/Pravdoliub Ivanov-